Seit der heldenmütigen Ansage des Alt-Bundespräsidenten Wulff dürfen wir es laut sagen: Der Islam gehört zu Deutschland – samt seiner mehr oder weniger geliebten Bestandteile, also Moscheen, Gebetsräumen im Gewerbegebiet, den halal-Regeln, dem Ramadan, ja mitsamt den Allah-gläubigen Menschen, früher als Mohammedaner bezeichnet, heute als Muslime.
Dann kam Freiherr Karl Theodor zu Guttenberg auf den Plan – mit seinem übergroßen Ehrgeiz der Selbstdarstellung und der pseudowissenschaftlichen Reputationssucht. Obwohl er nicht viel anders agierte als es manch unerkannter Hochstapler vor Ausbreitung des Internets tat, hat es ihn kalt erwischt: Große Teile seiner Doktorarbeit und ausgerechnet die, die am klügsten erdacht zu sein schienen, waren schlicht geklaut. Der Verteidigungsminister log und leugnete, was das Zeug hielt, aber seine Betrügerei ließ sich nicht vertuschen. Er musste gehen. Peinlich, aber doch wohl ein Einzelfall?
Dann stießen die Plagiatsjäger auf die Dissertation von Bundesbildungsministerin Annette Schavan. “Ich habe nicht abgeschrieben und schon gar nicht getäuscht“, log sie noch bei der Wahl zur Direktkandidatin im heimatlichen CDU-Kreisverband. Doch Ihr Vertrauen in die Kumpanei von Hochschulrektoren und professoralen Parteifreunden wurde bitter enttäuscht. Die Uni Düsseldorf entzog ihr den Doktortitel und die Ministerin musste gehen. Ihr fester Glaube an gutgemeintes Lügen verhalf ihr nur zu einem Botschafterposten bei der katholischen Glaubenszentrale. Noch ein Einzelfall?
Leider nicht. Die Experten des Plagiat-Portals VroniPlag (benannt nach Veronica Saß, Tochter des bayerischen Ex-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber) wurden in zahlreichen weiteren Fällen fündig (u.a. bei den Europa-Abgeordneten Koch-Mehrin und Chatzimarkakis). Andere Betrüger kamen glimpflicher davon: Der niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann durfte seinen Doktortitel trotz „Mängeln von erheblichem Gewicht“ behalten. Und die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen blieb ebenfalls ungeschoren. Bei 27 kopierten Textpartien handele es sich zwar „um Fehler in der Form von Plagiaten“, aber nicht um „Fehlverhalten“, urteilten die Gutachter der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Ministerin schämte sich danach nicht, an die hohen „Maßstäbe“ zu erinnern, die sie an sich selbst zu stellen pflege. Lug und Trug auf verblüffend hohem Niveau.
Betrügerei ist seit jeher als Ausweichverhalten im Umgang mit staatlichen Vorschriften, insbesondere des Steuerrechts, verbreitet. Da wird die Wegstrecke für die Fahrt zum Arbeitsplatz systematisch überschätzt oder der Ertrag des Auslandsvermögens vergessen anzugeben. Aber um Lügen und Betrügen als genuin deutsche Untugend festzuklopfen, musste mehr dazu kommen als z. B. ein Wurst- und Fußballkönig im Freigängerknast. Dafür bedurfte es massenhafter Wirkungen im globalen Rahmen.
Dank des VW-Dieselmotors EA 189 und seines mittlerweile weltberühmten „defeat device“ ist nunmehr auch die Fähigkeit eines großen Teils der deutschen Industrie bewiesen, Kunden und Staat nach Strich und Faden zu betrügen. Ebenso offenkundig wie die dezidierte Betrugsabsicht der Verantwortlichen ist die nonchalante Ignoranz der zuständigen staatlichen Ämter KBA und UBA. Mindestens 11 Millionen belogene und betrogene VW-Kunden können nun als Zeugen dafür aufgerufen werden, dass die Fähigkeit zum Lügen und Betrügen als genuine Nationaleigenschaft betrachtet werden darf.
Dafür, dass sie uns endlich vom falschen Heiligenschein des Gutmenschentums befreit haben, können wir ihnen danken: den Piëchs, Porsches, Müllers, aber auch der Schavan und, last but not least, dem one-and-only zu Guttenberg! Thank you, bastards. Selbstverständlich müsst Ihr nicht für die Folgen Eures Tun und Unterlassens aufkommen; dafür wird wieder – wie schon in der Bankenkrise – die große Mehrheit der kleinen Steuerzahler sorgen. Die neue Anschaffungssubvention für teure E-PKW ist sicher nur der Anfang.